
Leoni
So helfen wir unseren Kindern, sich nicht mit anderen zu vergleichen
Wer Kinder hat/ kennt, weiß: Sie sind unfassbar achtsam. Schon in jüngsten Jahren beobachten sie ihre Umwelt aufmerksam. Und dazu gehört nunmal auch, dass sie sich mit anderen vergleichen: „Anna kann schon alleine rutschen, ich noch nicht.“, „Max schreibt bessere Noten als ich.“, ...
Solche Gedanken sind ganz normal – schließlich lernen Kinder durch den Blick auf andere, was möglich ist.
Doch wenn aus diesem Beobachten ein ständiges Vergleichen wird, kann das das Selbstwertgefühl belasten. Kinder fragen sich dann: „Bin ich gut genug?“ oder „Warum kann ich das nicht so gut wie die anderen?“ Genau hier brauchen sie Unterstützung. Denn die Art und Weise, wie sie mit solchen Vergleichen umgehen, prägt ihr Selbstbewusstsein weit über die Kindheit hinaus.
Eltern und Pädagog:innen stehen dabei vor einer Herausforderung: Einerseits wollen wir Kinder motivieren, ihr Potenzial zu entfalten. Andererseits wollen wir verhindern, dass sie in einen ungesunden Wettbewerb geraten, der sie nicht gut genug fühlen lässt. Die gute Nachricht: Wir können viel dafür tun, das Selbstbewusstsein unserer Kinder zu stärken und ihnen zu zeigen, dass ihr Wert nicht davon abhängt, ob sie schneller, schlauer oder schöner sind als andere.
Dafür braucht es einen Perspektivwechsel. Statt Vergleiche zu unterbinden oder wegzureden, können wir unseren Kindern helfen, den Blick auf das Wesentliche zu lenken: ihren eigenen Fortschritt, ihre persönlichen Ziele und ihre individuellen Stärken. Zahlreiche psychologische Studien belegen, dass gerade die Förderung von Selbstwert bei Kindern entscheidend dafür ist, wie resilient sie später mit Herausforderungen umgehen. Kinder, die gelernt haben, sich selbst wertzuschätzen, wachsen zu Erwachsenen heran, die selbstbewusst und unabhängig ihren Weg gehen.
Dieser Blog Post zeigt praxisnah, wie wir unsere Kinder dabei unterstützen können. Er erklärt, warum Vergleiche einerseits menschlich sind, andererseits aber schädlich werden können – und vor allem, wie wir sie konstruktiv in etwas Positives verwandeln. Wir schauen uns bewährte Strategien an, die Eltern im Alltag sofort anwenden können: vom Feiern kleiner Fortschritte über das Setzen realistischer Ziele bis hin zu Methoden, die Kinder langfristig in ihrem Selbstwert stärken.
Inhalt
- Warum vergleichen sich Kinder überhaupt?
- Die Bedeutung von Selbstwert und Selbstbewusstsein für Kinder
- Drei zentrale Wege, wie wir Kindern helfen, sich weniger mit anderen zu vergleichen
- Die Rolle der Familie: Wie Eltern und Bezugspersonen Vorbilder sein können
- Die Rolle von Schule und Erziehungseinrichtungen
- Die Rolle von Schule und Erziehungseinrichtungen
- Digitaler Einfluss: Vergleiche auf Social Media
- Praktische Alltagstipps für Eltern, damit unsere Kinder sich weniger mit anderen vergleichen
- Praktische Alltagstipps für Eltern, damit unsere Kinder sich weniger mit anderen vergleichen
- Unser Buchtipp für weniger Vergleiche und mehr Selbstwert für Kinder:

Warum vergleichen sich Kinder überhaupt?
Kinder vergleichen sich, weil es ein natürlicher Bestandteil ihrer Entwicklung ist. In der Psychologie wird in dem Kontext von der Theorie des sozialen Vergleichs gesprochen: Menschen suchen ständig nach Bezugspunkten, um sich selbst besser einordnen zu können.
Horizontale Vergleiche (mit Gleichaltrigen) können dabei motivierend wirken. Ein Kind sieht, dass andere laufen oder lesen lernen, und möchte das auch schaffen.
Aufwärtsvergleiche (mit „besseren“ oder „älteren“ Kindern) hingegen können entmutigen und am Selbstwert nagen.
Ab dem Schulalter wird dieses Phänomen stärker, da Leistungssysteme (Noten, Sport, Wettbewerbe) Kinder ständig konfrontieren. Hinzu kommen äußere Einflüsse: Social Media verstärkt das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Schon Grundschüler:innen vergleichen sich mit YouTube-Stars oder Instagram-Influencer:innen, was das Selbstbild enorm verzerren kann.
Wichtig: Vergleiche sind nicht grundsätzlich negativ. Sie helfen Kindern, ihre Umwelt zu verstehen. Entscheidend ist, wie wir ihnen beibringen, diese Vergleiche einzuordnen und damit umzugehen.
Die Bedeutung von Selbstwert und Selbstbewusstsein für Kinder
Lasst uns zunächst die Begriffe "Selbstwert" und "Selbstbewusstsein" unterscheiden:
Selbstwert beschreibt, wie sehr ein Kind sich selbst als wertvoll empfindet – unabhängig von Leistung.
Selbstbewusstsein meint die Fähigkeit, sich seiner eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu sein und mutig aufzutreten.
Beides hängt eng zusammen: Ein stabiler Selbstwert bei Kindern ist die Basis, auf der Selbstbewusstsein entstehen kann. Fehlt der Selbstwert, kann das Kind zwar nach außen selbstbewusst wirken, doch innerlich sehr fragil sein.
Studien zeigen: Kinder mit starkem Selbstwert
- sind resilienter gegenüber Mobbing,
- gehen offener auf neue Herausforderungen zu,
- entwickeln weniger Ängste und
- haben bessere soziale Beziehungen.
Eltern, Lehrer:innen und Erziehende können diesen Selbstwert gezielt fördern – indem sie Kinder unterstützen, sich nicht ständig an anderen zu messen, sondern ihren eigenen Weg zu gehen.
Drei zentrale Wege, wie wir Kindern helfen, sich weniger mit anderen zu vergleichen
1. Den inneren Maßstab entdecken
Vergleiche wie „Dein Bruder ist schneller“ oder „Deine Freundin hat schon eine Eins“ bewirken, dass Kinder ihren Wert im Außen suchen. Das untergräbt den Selbstwert.
Alternative Ansätze sind z.B.:
1) Kinder dazu ermutigen, sich mit ihrem "gestern" zu vergleichen, nicht mit ihren Mitmenschen.
2) Gemeinsame Reflexionsrunden: „Was hast du diese Woche Neues gelernt?“
3) Fortschrittstagebücher: Kinder aufmalen oder aufschreiben lassen, was sie inzwischen besser können.
Psycholog:innen nennen das Selbstreferenz – die Fähigkeit, sich selbst als Maßstab zu nehmen. Das stärkt die innere Stabilität und macht unabhängiger von äußeren Bewertungen.
2. Nicht vergessen: Der Weg ist das Ziel
Viele Erwachsene fokussieren unbewusst nur Ergebnisse: Note 1 = Lob, Note 4 = Enttäuschung. Dabei steckt hinter einer 4 vielleicht mehr Mühe als hinter einer 1.
So stärken wir das Selbstbewusstsein unserer Kinder:
1) Einsatz loben: „Du hast dich richtig reingehängt.“
2) Mut anerkennen: „Du hast dich getraut, auch wenn es schwer war.“
3) Fortschritt sichtbar machen: „Das war schon viel besser als beim letzten Mal"!
Statt dem Ergebnis ist die innere Haltung („Ich gebe mein Bestes“) hier entscheidend. Dieses Denken schützt Kinder vor Rückschlägen und fördert das Durchhaltevermögen.
3. Ziele setzen und sichtbar machen
Kinder lernen Selbstwirksamkeit, wenn sie spüren: „Ich habe mir etwas vorgenommen – und es geschafft.“ Dieses Gefühl ist einer der stärksten Motoren für ein stabiles Selbstwertgefühl. Es zeigt ihnen, dass sie ihr Leben aktiv gestalten können.
Damit das gelingt, brauchen Kinder konkrete, erreichbare Ziele. Zu große oder zu vage Vorhaben führen leicht zu Frust und dem Gefühl des Versagens. Darum ist es wichtig, Ziele so zu formulieren, dass sie machbar und erlebbar bleiben.
Methoden, die sich bewährt haben:
1) SMART-Ziele: Ziele sollen spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert sein. Statt „Ich will besser lesen“, könnte ein Kind sagen: „Ich möchte in den nächsten zwei Wochen jeden Abend eine Seite aus meinem Lieblingsbuch laut lesen.“ So wird das Ziel klar und überprüfbar.
2) Wochenziele statt Fernziele: Ein großer Traum („Ich werde Pianist“) ist motivierend, doch zunächst schwer greifbar. Besser sind kleine Schritte: „Ich übe diese Woche drei Mal zehn Minuten auf dem Klavier.“ Jedes erreichte Zwischenziel erzeugt ein Erfolgserlebnis und nährt den Glauben an die eigene Fähigkeit.
3) Gemeinsame Reflexion: Kinder profitieren, wenn Eltern, Bezugspersonen oder Lehrkräfte regelmäßig mit ihnen besprechen: „Was war dein größter Fortschritt?“ oder „Welche kleine Sache hat dir diese Woche gezeigt, dass du vorankommst?“ Dadurch lernen sie, ihre Entwicklung bewusst wahrzunehmen.
Die Rolle der Familie: Wie Eltern und Bezugspersonen Vorbilder sein können
Eltern und andere Bezugspersonen sind die wichtigsten Vorbilder für Kinder. Unsere Haltung zu uns selbst, zum Leben und zu anderen prägt maßgeblich, wie Kinder ihre eigene Welt sehen.
Wenn eine Bezugsperson häufig abwertend über sich selbst spricht – etwa mit Sätzen wie: „Ich bin zu dick“, „Ich schaffe das sowieso nicht“ oder „Familie XY macht das viel besser als wir“ – dann verinnerlichen Kinder unterschwellig: Vergleiche mit anderen gehören zum Leben dazu, und man selbst reicht oft nicht aus. Diese Botschaften schleichen sich ein, selbst wenn sie gar nicht direkt an das Kind gerichtet sind. Wir vermitteln dann ganz ungewollt: Selbstwert misst sich daran, wie ich im Vergleich zu anderen abschneide.
Doch es geht auch anders. Wenn Erwachsene bewusst ein anderes Verhalten wählen, senden sie dadurch eine gesündere Botschaft, nämlich: Es zählt nicht, wie man gegenüber anderen abschneidet, sondern ob man an sich selbst wächst und die eigenen Fortschritte wahrnimmt.
Beispiele für stärkende Botschaften im Alltag sind etwa:
- „Ich bin stolz, dass ich diese Woche regelmäßig Sport gemacht habe. Ich hatte oft keine Lust, aber habe durchgehalten.“
- „Ich habe mein Ziel erreicht, mehr zu lesen – und das fühlt sich richtig gut an.“
- „Heute habe ich beim Kochen ein neues Rezept ausprobiert. Es ist nicht perfekt geworden, aber ich habe viel gelernt.“
- „Ich hatte heute einen stressigen Tag, aber ich habe mir bewusst Zeit für eine Pause genommen. Das war wichtig für mich.“
Solche Aussagen zeigen Kindern: Erfolg bedeutet nicht, besser zu sein als jemand anderes. Erfolg bedeutet, sich auf sich selbst zu konzentrieren, kleine Schritte zu feiern und sich selbst wertzuschätzen.
Zudem lernen Kinder durch das elterliche Vorbild, dass Selbstfürsorge und Fehlerfreundlichkeit Teil ihres lebenslangen Wachstums sind. Wenn Eltern zugeben: „Das habe ich heute nicht so gut hinbekommen, aber beim nächsten Mal mache ich es anders“, erleben Kinder, dass Fehler keine Katastrophe sind, sondern Gelegenheiten, dazuzulernen.
Psycholog:innen sprechen in diesem Zusammenhang von Modelllernen (Albert Bandura). Kinder übernehmen nicht nur Handlungen, sondern auch innere Einstellungen, wenn sie sie regelmäßig bei ihren Bezugspersonen beobachten. Wer als Elternteil also selbst einen liebevollen, wertschätzenden Umgang mit sich pflegt, vermittelt seinem Kind: „Du bist wertvoll, auch ohne dich mit anderen zu messen.“
Die Rolle von Schule und Erziehungseinrichtungen
Schulen sind häufig Orte ständiger Vergleiche. Noten, Klassenbeste, Ranglisten – all das kann den Selbstwert schwächen. So können Pädagog:innen gegensteuern:
1) Kompetenzorientiertes Feedback statt reiner Zensuren
2) Projektarbeiten, die verschiedene Talente sichtbar machen
3) Kooperative Lernformen statt nur Wettbewerb.
Studien belegen: Kinder, die ermutigt werden, individuelle Lernwege zu gehen, entwickeln ein stabileres Selbstwertgefühl und mehr Freude am Lernen.
Digitaler Einfluss: Vergleiche auf Social Media
Das ständige Vergleichen ist heute nicht mehr nur Teil des Klassenzimmers oder Sportvereins – es begleitet Kinder und Jugendliche auf ihrem Smartphone jeden Tag. Social Media wirkt dabei wie ein Verstärker: Anstatt reale, vielfältige Menschen zu sehen, begegnen Kinder auf Plattformen wie Instagram, TikTok oder YouTube hauptsächlich sorgfältig inszenierten Bildern und unerreichbaren Schönheitsidealen.
Wir sehen perfekte Körper, scheinbar makellose Gesichter, Traumurlaube und ein ständiges "Harder, Better, Faster, Stronger". Das Problem: Diese Inhalte zeigen nicht den Alltag, sondern nur ausgewählte Momente der entsprechenden Creators. Das wird jedoch selten offengelegt, und gerade Kinder und Jugendliche können das oft noch nicht reflektieren. Das kann das Gefühl erzeugen: „Alle anderen sind schöner, glücklicher, erfolgreicher als ich.“
Psychologische Studien belegen, dass intensiver Social-Media-Konsum mit niedrigem Selbstwertgefühl und erhöhter Unzufriedenheit bei Jugendlichen zusammenhängt. Besonders gefährlich ist dabei der ständige Aufwärtsvergleich: Kinder vergleichen sich mit Influencern, die völlig unrealistische Dartsellungen von Schönheit und Erfolg posten.
Tipps für Eltern im Umgang mit Social Media
Damit Kinder lernen, digitale Inhalte kritisch einzuordnen, können wir als Eltern und Bezugspersonen folgende Strategien nutzen:
1) Medienzeit bewusst begrenzen/ klare Regeln setzen
2) Über Inszenierung sprechen: „Was du online siehst, ist oft nur die Fassade.“
3) Vorbilder thematisieren: „Welche Accounts machen dir gute Laune?“ und „Bei welchen fühlst du dich schlecht? Warum?“
4) Eigene digitale Haltung vorleben: Wer selbst ständig auf Social Media scrollt oder sich von Online-Vergleichen frustrieren lässt, sendet eine starke Botschaft. Bewusster, reflektierter Umgang mit Medien zeigt Kindern, dass Online-Welten nicht den eigenen Wert bestimmen.
Praktische Alltagstipps für Eltern, damit unsere Kinder sich weniger mit anderen vergleichen
1) Gemeinsame Reflexion am Abend: „Worauf bist du heute stolz?“
2) „Noch“-Sprache trainieren: „Ich kann das noch nicht“ statt „Ich kann das nicht.“
3) Kompetenzlisten: Gemeinsam aufschreiben: „Was kann ich schon gut?“
4) Bilderbücher über Selbstwert lesen